Die Alligatorpapiere

Zielfahndung.

Stefan Lichtblaus sehr persönliche Betrachtungen eines Genres.



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    Informationen über Zeitschriften mit Krimisonderteil

    �Die Horen: Krimispecial�
    Schon mehrfach erschienen in der Vergangenheit in sporadischer Folge bei den "Horen", der Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, Bände zu Aspekten der Kriminalliteratur. Mit dem Band Nr. 204 erscheint nun ein weiterer Band, der sich der Kriminalliteratur widmet: "Von der Menschenjagd und der Emanzipation des Bösen", Essays und Gespräche, Kurzkrimis, Gedichte und ein Hörspiel. Herausgegeben von Dieter P. Meier-Lenz (284 S. 12 � zzgl. Versand).
    Kriminelle Kost tischen hier mehr als zwei Dutzend genrekundige und genreverliebte Autorinnen und Autoren auf, darunter Fred Breinersdorfer, H.P. Karr, Peter Schmidt u. a., Ingrid Noll spricht über das Krimihandwerk und Doris Gercke sagt "Wie man einen Krimi schreibt". Meier-Lenz bündelt drei Essays zu den Themen "Der Außenseiter", "Das Verbrechen gegen die Spielregel" sowie "Zum Motiv des Serienmörders", die Krimi-Szenen Finnlands und Italiens werden vorgestellt und Rezensionen zu aktuellen Krimis runden den Band ab.
    Kontakt: Tel. 0471/945 4461 und unter Schwierigkeiten auf der Webseite des NW Verlages, bei dem unter anderem die "Horen" erscheinen (Gesamtprogramm anklicken, dann "Zeitschriften", leider nicht aktualisiert).


    �Literaturen�
    Das selbstgenannte "Journal für Bücher und Themen", die Zeitschrift "Literaturen" brachte im Heft 11/2001 einen größeren Schwerpunkt unter dem Thema "Krimisuchtkunst".
    "Literaturen" ist eine Zeitschrift, deren Erscheinen allseits begrüßt wurde, hatte es bis dahin doch kein Verlag geschafft, eine überregionale monatlich erscheinende "ernsthafte" Literaturzeitschrift dauerhaft am Markt zu platzieren. Der Versuch scheint gelungen zu sein, eine Druckauflage von 50.000-60.000 ist durchaus beachtlich zu nennen und der auf Spezialzeitschriften gebuchte "Friedrich Verlag",der für Literaturen verantwortlich zeichnet, ist auch die richtige Adresse, um Dauerhaftigkeit und seriöse Geschäftsbedingungen zu garantieren.
    Dennoch zeigt sich nicht nur im KrimiSpezial-Heft, daß die Zeitschrift mit ihrer ausgeprägten Kopflastigkeit Gefahr läuft, sich zu staubtrockener Lektüre für literaturen11-2001.jpgProseminaristen und literaturwissenschaftlich geschultes Personal zu entwickeln: Intellektualität könnte auch lustvoller zelebriert werden.
    "Die Erzählmuster des Krimis sind hochliteraturfähig geworden: KRIMI SUCHT KUNST, im doppelten Wortsinn." behauptet die Redaktion im Intro und bietet als Zeugen dieser Aussage mit Thomas Hettche und Georg Klein die Autoren auf, die als eingeführte E-Literaten mit ihren neuen Büchern die Hochliteratur verblüfft haben, waren sie doch fast so etwas wie Kriminalromane. Fast.
    Thomas Hettche kümmert sich in seinem Beitrag "Auch die Toten dürfen hoffen" um einen Großen der Kriminalliteratur, der leider nicht mehr aufgelegt wird: Charles Willeford: "Tatsächlich habe ich außer Silvia Boenschen... noch nie jemandem getroffen, der Charles Willeford kannte." Er scheint nicht mit ausgemachten Krimifans zu tun zu haben; tatsächlich gibt es kaum einen Krimikenner, der nicht ausdrücklich auf das späte Werk Willefords hinweist und allerdings wie Hettche bedauert, daß er auf dem deutschen Buchmarkt chancenlos zu sein scheint.
    Georg Klein bricht eine Lanze für einen Mann, dessen Romane nach wie vor beliebt sind, dessen Sprache, Thematik und Moral aber immer für die Verurteilung der "Schundliteratur" herhalten mußten: Mickey Spillane.: "Aber die Lesenden stört dies nicht. Sie leben in einem tiefen Einverständnis mit der Gleichförmigkeit dieser erzählerischen Rituale."
    Tatsächlich sind die Artikel von Klein und Hettche lesenswerte Beiträge von Krimifans, dennoch wird man bei der Zusammenstellung dieses "Krimi-Specials" das Gefühl nicht los, als würde der Klientel pädagogisch einfühlsam erklärt, daß "Krimi" nicht per se schlecht ist und anhand "guter" Autoren bewiesen, daß auch aus Straßenkindern etwas Besseres werden kann, z. B. "Krimis für Intellektuelle", einmal abgesehen davon, daß Abstecher in die "Exotik" zu gewissen Zeiten immer ihren Reiz haben, besonders dann, wenn die "Literatur" etwas erschöpft wirkt, auf der Suche nach großen Themen.
    Franz Schuh versucht in seinem Beitrag dagegen zu halten: "...Aber es ärgert mich etwas anderes: einige Autoren, die von den dafür zuständigen Instanzen zur Hochliteratur gezählt werden, haben eine Fixierung, eine unglückliche Liebe zum Kriminalroman. Diese Autoren können keinen Kriminalroman schreiben, aber sie kommen nicht davon los, einen schreiben zu wollen. Das ergibt dann schwer die Nerven reizende, manchmal auch belustigende Wechselbälger, Bastarde der Literatur."
    Diese Ausgabe der "Literaturen" bleibt ein zwiespältiges Heft, bemüht, doch auf eine irritierende Art unbefriedigend: nicht begeisternd, aber auch nicht aufregend, auf seltsame Weise unbeseelt wie eine beamtete sozialarbeiterische Annäherung an eine als vernachlässigt angenommene Kultur...


    Die Beiträge:
    SCHWERPUNKT THEMA KRIMISUCHTKUNST

    Cornelia Vismann Sherlockholmessuperdetektiv Überlegungen zur Antiquiertheit einer literarischen Figur || Der Hahnenkamm des Hasses Georg Klein über Mickey Spillane || Franz Schuh Der Schund und seine Connaisseure Aus den Memoiren eines Krimi-Rezensenten || Jan Bürger Die Brüder Raskolnikoffs Wie deutschsprachige Schriftsteller das Verbrechen wiederentdecken || Auch die Toten dürfen hoffen Thomas Hettche über Charles Willeford || Das Wort «Kommissarin» kann ich nicht mehr ertragen Hannelore Hoger im Gespräch mit Sigrid Löffler || Die Welt des Easy Rawlins Ruth Klüger über Walter Mosley


    Buchkultur: Krimi Spezial
    Traditionell bringt die österreichische Zeitschrift Buchkultur zum Sommer ein Spezialheft zum Thema "Krimi" heraus. Dieses Jahr (2001) glänzt es durch viele Informationen aus dem Hintergrund des Genres: Thomas Wörtche schrieb eine lesenswerte Analyse zum Thema "Wohin geht es mit dem Kriminalroman", in der auch die deutschsprachige Krimiszene behandelt wird (leider viel zu kurz, der Beitrag über die deutschsprachige Szene, das sähe die Redaktion der Alligatorpapiere gerne einmal ausführlicher dargestellt).
    Es gibt ein Interview mit Carlo Lucarelli, ein Porträt von Jean-Claude Izzo, einen Beitrag über Neuentdeckungen durch Kleinverlage, Krimirezensionen, Spezialtipps für Kidds. Auf 32 Seiten bietet diese Beilage des August/September-Heftes (Nr. 74) einen wunderbaren Ersatz für die immer noch schmerzhaft vermisste Krimizeitschrift auf dem deutschsprachigen Markt!
    Aber auch das Hauptheft kümmert sich um die Krimiszene: Tobias Hierl gibt einen kurzen Einblick in den aktuellen Bestand der russischen Kriminalliteratur und ergänzt dies mit einem Interview, das er mit Polina Daschkova geführt hat.
    Für 8,50 DM gibt es Buchkultur an vielen Bahnhofsbuchandlungen und gut sortierten Buchhandlungen. Diese Ausgabe sei unbedingt empfohlen!!
    (Die Krimispezialausgabe gibt es weiterhin jährlich. Informieren Sie sich bei Buchkultur


    WESPENNEST
    eine anspruchsvolle Literaturzeitschrift aus Wien hat im ersten Quartal 1999 im Heft 113 den Schwerpunkt auf "Crime Fiction" gelegt. Wem dieses Heft nicht bekannt sein sollte, sei es nachdrücklich empfohlen. Thomas Wörtche, der mit Ludger Bült dieses Special zusammenstellte, betrachtet in seinem gewichtigen Beitrag "It does make Sense" Chester Himes und das 20. Jahrhundert. Wen Himes Romane an absurde Komödien erinnerten, der wird sich hier in der fundierten und auch überraschenden Analyse des Himes-Werkes bestätigt finden: "Sie alle sind komische Literatur. In dem Sinn, in dem seit Rabelais, Cervantes bis Kafka und Musil komische Literatur nicht bratzwitzisch sein muss."
    wespennest113-crimefiction.jpgJulian Rathbone beschreibt den Niedergang eines Genres anhand der absurd anmutenden Explosion des Umfanges der auf den Markt geworfenen Titel:"Wenn wir die Werke von P.D. James, Ruth Rendell, Minette Walters mit jenen von Margery Allingham, Agatha Christie oder Dorothy Sayers vergleichen, so fällt als erstes auf, daß erstere dickere Wälzer sind. Oder nehmen wir knallharte amerikanische Fiction: In einen James Ellroy passen drei Chandler..." Es geht um die Bestselleritis, die inzwischen auch das Krimigenre beherscht: "Sie haben inzwischen jene Thrillergattung völlig vom Markt verdrängt, aus der sie hervorgegangen sind. Das waren Bücher, die man immer wieder lesen konnte, Bücher, die heute vergriffen sind, oder die, schriebe man sie heute, praktisch keine Chance hätten, auf den Markt zu kommen." Vertreten sind in diesem Special ausserdem Uta-Maria Heim "Aus meinem Tatort-Tagebuch", Fritz von Klinggräf "Kriminelle Verwirrspiele" (Von der Logik des Realismus in Michael Dibdins "Cosi fan tutte") und Robert M. Eversz "Wenn die Krimifalle zuschnappt".
    Wie immer bei Empfehlungen sollte aber auch das Kritische vermerkt werden. Wespennest 113 ist für den Preis von 20 DM zu erwerben, ein Betrag, der für eine ungewöhnliche, der Avantgarde-Literatur zugewandte Zeitschrift nicht überteuert ist. Ärgerlicher ist schon, daß "Crime Fiction", der Schwerpunkt dieses Heftes, gerade mal 27 Seiten eines 120 Seiten dicken Heftes ausmacht. Vor allem, wenn das Vorwort des Heftes so beginnt: "Für den überwiegenden Teil des deutschsprachigen Feuilletons existiert der Kriminalroman nur am Rande." Es gelingt diesem schmalen Special zwar mit Bravour, dem im Vorwort beklagten dilettantischen Niveau jener "Kritik in Wochenendbeilagen und schmalen Kolumnen" eine wertvolle und lobenswerte Alternative entgegenzusetzen, ein Nischendasein genießt die Gattung Kriminalliteratur trotz aller gegenteiligen Beteuerungen aber auch im Textteil dieser anspruchsvollen Literaturzeitschrift. Inhaltsangabe des Heftes


    Weitere und auch aktuelle Informationen zu Zeitschriften und zur Sekundärliteratur zum Krimi gibt es bei Thomas Przybilkas Krimi-Tipps zur Sekundärliteratur

    Die persönlichen Betrachtungen werden bei Gelegenheit fortgesetzt.

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