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"Der Orangensaft war eiskalt und schmeckte nach Schale. Der Hotdog war heiß und schmeckte nach Knoblauch, mit dem der etwas dubiose Geschmack des Fleisches kaschiert werden sollte. Er musste nach Harlem. Lust hatte er kein. Bis Persons ihn auf so scharfsinnige Weise auf seine schwarze Identität hingewiesen hatte, hatte er die beiden Seiten der Medaille nie richtig betrachtet. Shaft war schwarz, hatte Persons gesagt, aber auch weiß. Stimmte das? Er war in beiden Welten zu Hause. er fragte sich, wie weit er sich verändert hatte, um sich anzupassen, und warum Persons dies mit solcher Leichtigkeit wahrgenommen hatte."
Uptown ist Harlem und gesucht wird Shaft von Knock Persons: "gewaltiger Körperbau, glitzernde Autos, funkelnde Brillanten, Wettenmacher, Dealer, Zuhälter." Er war das Sinnbild von Korruption und Verrat. Er war der King von Harlem. Und er hatte eine weiche Stelle, die ihn fertig machte: seine Tochter. "Mit sechzehn war sie in jeder Bar bekannt, die Knock Persons gehörte, und in vielen, die ihm nicht gehörten. Mit siebzehn kannte sie jeden Dealer, der in seinen Diensten stand. Im Alter von achtzehn hatte sie zwei Abtreibungen hinter sich und vier Entziehungskuren. Jetzt war sie neunzehn." Und sie war verschwunden.
So bringt die Neuauflage endlich wieder einen Klassiker auf den Markt und bietet zugleich einen Blick auf einen eigenwilligen Helden. Shaft repräsentiert alles, was Privatdetektive immer auszeichnete: Unabhängigkeit, Freiheit, Stolz. Und jene klare Sicht auf die Verhältnisse, die die Arbeit in den Schattenwelten der Gesellschaft und der Niedergang der Moral mit sich bringt. Die Sensation war aber, daß der weiße Autor Ernest Tidyman diese Tugenden einer schwarzen Figur auf den Leib schrieb, mit der sich auch Schwarze identifizieren konnten. Was eine interessante Konsequenz hatte: hier gelangt der Blick auf einen Helden, der nicht den Brechungen unterworfen sein durfte, die viele seiner weißen Kollegen belastete (Mickey Spillane und James Bond einmal ausgenommen): der weiße Autor Tideyman konnte natürlich keinen schwächelnden schwarzen Helden nach dem Muster entwerfen, der sich gerade aus der Geschichte der "weißen" Kriminalliteratur entwickelte, nachdenkliche, auch gebrochene Gestalten, die eine korrupte Gesellschaft entdecken.
Eine Rezension von Stefan Lichtblau
Ein Service der Alligatorpapiere
im
NordPark
Verlag
Alfred Miersch
Klingelholl 53
42281 Wuppertal
Tel.:0202/51 10 89
Kontakt
Ernest Tidyman
Ernest Tidyman wurde am 31. Dezember 1928 als Sohn einer ungarischen Mutter und eines Vaters mit britischen Wurzeln in Cleveland geboren. Der Name Tidyman stammt aus der Arbeiterklasse in der Gegend um Blackpool, England.
Von 1945-1946 leistete er Dienst in der U.S. Army.
1954 folgte er dann seinem Vater Ben Tidyman in dessen journalistische Fußstapfen und wurde Reporter bei der Zeitung The Cleveland News.
Er starb am 14. Juli 1984 an Nierenversagen. Oder, wie es sein Sohn Nathaniel Rayle treffend beschrieben hat: �Die offizielle Todesursache war Nierenversagen, obwohl dies nur ein �knapper� Sieg des ersten lebenswichtigen Organs war, das versagte. Er rauchte und trank sein ganzes Leben.�
Tidyman war ein Journalist, der seinen Beruf von der Pike auf erlernt hatte. Er war Gerichtsreporter für The Cleveland News und arbeitete ab 1957 für The New York Post und später für The New York Times. Bei der New York Times war er von 1960 an als Redakteur tätig, bis er diesen Job aufgab, um sich ganz dem Schreiben von Romanen und Drehbüchern zu widmen.
Ab Mitte der 60er Jahre arbeitete er auch als freier Redakteur für verschiedene Magazine, darunter für das New York Time Magazine.
Stefan Lichtblau
ist Gründungsmitglied der "Alligatorpapiere" und träumt immer noch davon, schriftstellerisch schreiben zu können. Bis dahin betätigt er sich als Rezensent von Spannungsliteratur, und als Suchmaschine für die Nachrichtenseite der Alligatorpapiere