Gisela Lehmer-Kerklohs & Jörg von Bilavskys

KrimiKurier No.32



Die Alligatorpapiere

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Die Autorin:
Gisela Lehmer-Kerkloh rezensiert Kriminalliteratur. Sie ist Mitglied bei den Sisters in Crime sowie bei der GVM (Genootschap van Vlaamse Misdaadauteurs) und AIEP und Amiga im SYNDIKAT
Der Autor:
Jörg von Bilavsky arbeitet als freier Publizist und Lektor für diverse Verlage, Zeitschriften, Tages- und Wochenzeitungen.
siehe www.blockfrei.net





KrimiKurier No.32
Winter 2009

KRIMISONETT

Gold


Fred wird in einem Tabakballen
Vom Hafen auf die Zollstation getragen.
Dort schläft er, bis die Schiffsuhr zwölf geschlagen.
Erwacht und schleicht sich in die Lagerhallen.

Am Gold-Depot, wo trunkne Wächter lallen,
Läßt er den kleinen Mörtelfresser nagen,
Bis wie beim Kartenhaus die Mauern fallen.
Dann lädt er Gold in einen Grünkohlwagen.

Als Bauer fährt er sächselnd durch den Zoll.
Doch dort erraten ihn zwei blanke Barren.
Berittne jagen den Gemüsekarren.

Fred sinnt verwirrt, wie er sich retten soll.
Da sitzt DER FREUND in hoher Eberesche
Und schießt ihm pfeiferauchend eine Bresche



(Ludwig Rubiner, Friedrich Eisenlohr, Livingstone Hahn: Gold. In: Robert Gernhardt: Gedanken zum Gedicht)




Liebe Leser, Bekannte und Freunde,


ein gutes Jahr 2010 und viel Spaß beim Lesen wünschen
Gisela Lehmer-Kerkloh und Jörg von Bilavsky

Viel Spaß beim Lesen wünschen
Gisela Lehmer-Kerkloh und Jörg von Bilavsky


GLAUSER MAL ANDERS


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Frank Göhre:
Mo.
Lebensroman des Friedrich Glauser
Zürich: Unionsverlag, 2009.
Brosch., 192 Seiten, 9.90 €
.
"Mit Kriminalromanen fangen wir an, uns zu üben. Das Wichtige erscheint erst später." Darf man die letzten Worte Friedrich Glausers wirklich ernst nehmen? Wohl kaum. Denn seine Wachtmeister-Studer-Geschichten sind noch vor seinem Fremdenlegion-Roman "Gourrama" und seinem autobiografischen Bericht "Morphium" das wirklich Wichtige in seinem schriftstellerischen Werk. Zugegeben, wir wissen nicht, was der schon mit 42 Jahren verstorbene Autor mit 50, 60 oder 70 Jahren noch vorgelegt hätte. Doch in seinen Romanen und Erzählungen steckt jene stilistische und tiefenpsychologische Brillanz, die ein literarisch anspruchsvolles Werk ausmacht. Welche Persönlichkeit und Erfahrungen hinter diesen leidvollen und sozialkritischen Geschichten steckt, ist den meisten Studers-Fans wohl nur schemenhaft bekannt. Nur Wenige werden die äußerst detailverliebte und umfangreiche Biographie von Gerhard Saner studiert haben, um Glauser und sein Werk besser zu verstehen. Wer den unsteten und nervösen Schriftsteller dennoch besser verstehen möchte, ist mit Frank Göhres "Lebensroman des Friedrich Glauser" besser bedient. Der renommierte deutsche Krimiautor kommt mit seiner stakkatohaften Prosa und den pointiert-lebendigen Dialogen dem Wesen und Werk des Schweizers ungemein nahe. Ebenso dramatisch wie deutlich zeigt Göhre, wo sich bei Glauser Literatur und Leben kreuzen und wieder auseinander triften. Äußerst subtil seziert er dessen ebenso komplexes wie gestörtes Verhältnis zum autoritären Vater und seinen aufopferungsvollen Frauen. Zentral natürlich die immer wieder fehlgeschlagenen und abgebrochenen Psychotherapien in diversen Kliniken und Glausers lebenslange Abhängigkeit vom "Mo"rphium, einer ebenso stimulierenden wie besänftigenden Droge. Wie genau und wie oft dieses Opiat seine literarische Phantasie beflügelt hat, kann auch Göhre nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber das dieses Sucht seine Ängste und Sehnsüchte widerspiegelt, wird durch diese wahrhaft intim und einfühlsam geschriebene Biographie mehr als deutlich. Man liest die Studer-Romane danach mit anderem Bewusstsein
JvB

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1943 Im RUHRGEBIET:


Zweyer-GoldfasanJan Zweyer:
Goldfasan.
Dortmund: grafit Verlag 2009.
Kart., 319 Seiten, 11.00 €

Das zweite Buch aus der geplanten Trilogie um den Hauptkommissar Peter Goldstein spielt 20 Jahre nach dem Erstling Franzosenliebchen. Die Menschen im Ruhrgebiet befinden sich in einer noch prekäreren Lage und Goldstein, der seinen Namen inzwischen in Golsten geändert hat, muss erneut auf die "politische" Situation Rücksicht nehmen. War 1923 die Zeit der Ruhrbesetzung durch die Franzosen, so befindet sich nun das tausendjährige Reich nach Stalingrad in seiner Endphase. Golsten soll das Verschwinden der polnischen Haushaltshilfe des stellvertretenden Kreisleiters der NSDAP in Herne, Walter Munder, aufklären. Der skrupellose Munder ist mit seinem Schwiegervater Wieland Trasse, einem Kaufhausbesitzer, in dunkle Geschäfte und damit verbundene Warenlieferungen aus Lemberg, dem Generalgouvernment, verwickelt. Aber nicht nur im Beruf hat Goldsten Ärger. Ungemach droht seiner Familie auch, als sein Schwiegervater einen Juden versteckt, der der illegalen KPD angehört.
Zweyer gelingt nicht nur ein spannender Krimi, sondern er zeichnet ein fesselndes, realitätsnahes Sittengemälde des Jahres 1943 im Ruhrgebiet. So könnte es tatsächlich gewesen sein! Die Goldfasane, die Würdenträger in Partei und Behörden, haben das nahende Ende schon vor Augen und sorgen vor für die Zeit danach. Die Bevölkerung wird durch die Angriffe der alliierten Bomber auf eine harte Probe gestellt, Jugendliche, die mit Sozialdemokraten und Kommunisten sympathisieren, werden radikalisiert und ebenso wie die Juden ohne viel Aufheben delenquiert. Auch Golsten - die Kriminalpolizei ist jetzt dem Reichssicherheitshauptamt und damit der SS zugeordnet - schwankt zwischen dem Wunsch nach Beförderung, der Gefahr des Schafotts und moralischen Zweifeln.
GLK

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CALIFORNIA KILLING


winslow-Frankie-Machine.jpg Don Winslow:
Frankie Machine.
Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2009.
Kart., 364 Seiten, 8.95 €
.
Eigentlich wollte er nur friedlich seinen Lebensabend genießen. Am sonnigen Strand von San Diego: surfend, angelnd und schlemmend. Doch irgendjemand gönnt Profikiller Frank Machianno keine Ruhe. Plötzlich holt sie ihn wieder ein: die Mafia-Vergangenheit. Brutalstmöglich. Er soll einem ehemaligen Boss einen Gefallen tun, ein letztes Mal zwischen verfeindeten Clans vermitteln, um seine Loyalität zu beweisen. So scheint es. Aber er wird in eine Falle gelockt und killt zwei Mafiosi, die ihn töten sollten. Frankie Machine ist wider Willen wieder in seinem Element und auf der Flucht vor Killern, deren Mordmotive er nicht erkennen kann. Er fahndet in seinem Gedächtnis nach den Gründen und spult vor unseren Augen die faszinierende Geschichte der kalifornischen Mafia von den 60er bis in die 80er Jahre ab. Mit Witz und Weisheit erzählt der ehemalige New Yorker Privatdetektiv Don Winslow von blutigen Bandenkriegen, Drogenexzessen und Sexorgien, Verrat und Verrätern. Und mittendrin steht der kaltblütige Killer Frankie Machine, dessen Ehrbegriff man trotz all seiner Morde doch zu schätzen weiß. Bei alldem ist Winslow sprachlich so treffsicher wie Frankie mit seinen Knarren. Bis zum ebenso blutigen wie befreienden Schluss. Auf den im nächsten Jahr anlaufenden Kinofilms mit Robert de Niro als Frankie Machine darf man aber mindestens genauso gespannt sein.
JvB
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SCHWEDENKRIMI EINMAL ANDERS:


lapidus-spuer-die-angst Jens Lapidus:
Spür die Angst.
Frankfurt am Main: Scherz Verlag 2009,
Kart., 574 Seiten, 14.95 €

"Gute Nacht, Mankell" hat Mikael Krogerus seine Besprechung des Krimi-Erstlings von Jens Lapidus, einem jungen Strafverteidiger in Stockholm, betitelt. Der Verlag teilt stolz mit, das Debüt "Spür die Angst" habe mehrere Wochen auf Platz 1 der schwedischen Bestsellerliste gestanden und sei mit dem Platinum Prize 2008 für eines der meist verkauften taschenbücher ausgezeichnet worden.
Zunächst einmal: wie Mankell zieht es Lapidus vor, seine Story aus der Sicht seiner Protagonisten zu erzählen. Wo man bei ersterem aber "left-lifestyle" und stetes Abwägen findet, gibt es bei letzterem harte Realität. Lapidus Charaktere wollen nach oben - egal wie, vorzugsweise mit illegalen Mitteln, weil es schneller geht. JW kommt vom Land und studiert Ökonomie in Stockholm. Wie zuvor seine verschwundene Schwester will er aus dem Landleben seiner Eltern ausbrechen und zur hippen Gesellschaft der jungen, reichen Schweden dazugehören. Reicht es zunächst mit Taxifahren nur zu Second-Hand-Designerklamotten, so verhilft ihm das Geschäft mit Cola (=Koks) schnell zu Ansehen und Profit in der feinen Gesellschaft. In Abdulkarims Dealertruppe trifft JW auf Jorge, das wandelnde Dealerlexikon. Jorge ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und will sich an Mrado, einem Mitglied der Jugo-Mafia rächen. Mrado selbst fällt bei seinem Boss in Ungnade, die alte Waffenbrüderschaft des Balkankrieges wird brüchig.
Die Story ist mit viel Drive erzählt. Man gewinnt ein befremdliches Näheverhältnis zu den drei kriminellen Protagonisten. Mikael Krogerus schildert es treffend: " Besonders stark die Seiten, auf denen Lapidus das Gefühl beschreibt, wenn man etwas Illegales tut. Der Stress, die Nervosität, das Herzrasen, den Tunnelblick, den Adrenalinkick - und dann das Gefühl der Unbesiegbarkeit, wenn man nicht erwischt wurde".
Der Kauf des Buches ist allerdings nicht illegal, ein besonderer Reiz liegt aber darin, dass es sich einmal um einen ganz anderen Schweden handelt.
GLK
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DIE SCHWEIZ, MAL NICHT SO SAUBER


wottreng-verbrechen-in-der-Grossstadt Willi Wottreng:
Verbrechen in der Grossstadt.
Kindsmörder, Hochstapler, Dogendealer - eine Kriminalgeschichte der Stadt Zürich
Zürich: Orell Füssli Verlag 2009,
Kart., 272 Seiten, 26.50 €

Denkt man an Zürich, denkt man an wunderschöne Seen, illustre Berge und eine pittoreske Altstadt. Zürich ist die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität, glaubt man einer im letzten Jahr erschienenen Studie. Doch wo es soviel Licht gibt, muss es auch sehr viel Schatten geben. Und der verdunkelt heutzutage vor allem das berühmt-berüchtigte Langstrassenquartier in Zürich, wo Drogenhandel und Prostitution an der Tagesordnung sind. Aber Großstadt und Verbrechen gehören seit jeher zusammen. Die massenhafte Ansammlung von Menschen unterschiedlichster Schichten auf relativ kleinem Raum ist der perfekte Nährboden für Hochstapler, Lustmörder, Geldfälscher und Diebstahl.
Der Schweizer NZZ-Redakteur hat den kriminellen Humus der letzten hundert Jahre umgegraben und eine Vielzahl unbekannter, aber für die Großstadtkriminalität exemplarische Fälle zutage gefördert. Dokumentiert hatte er sie bereits 2008 in einer Ausstellung im Züricher Stadthaus. Nun liegt das daraus entstandene Buch vor, in dem er mit seinen spannenden Geschichten über Kindsmörder und Erpresser ein grausiges Panorama menschlicher Abgründe zeichnet. Doch geht es Wettreng in seinen Kriminal-Porträts nicht um die vordergründige Faszination am Grauen. Er forscht vielmehr nach den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ursachen der Taten sowie nach den individuellen Motiven der Täter. Dabei wird schnell deutlich, dass es nicht das oder die Züricher Verbrechen gab oder gibt. Zürich ist überall in Europa. Auch in ihrer Großstadt.
JvB
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POLT IST ZURÜCK:


komarek-polt Alfred Komarek:
Polt.
Innsbruck: Haymon Verlag 2009,
Geb., 167 Seiten, 17.90 €

Endlich ist Polt zurück. Nach der jahreszeitlichen Krimiquadrofonie, um den ungewöhnlichen Gendarmen Simon Polt (Polt muß weinen 1998, Blumen für Polt 2000, Himmel, Polt und Hölle 2001, Polterabend 2003) ist er einfach wieder Simon Polt. Aber auch im stillen Wiesbachtal ist die Zeit nicht stehen geblieben. Den Gendarmen hat Polt abgelegt und gemeinsam mit den Freunden Friedrich Kurzbacher und Sepp Räuschl den Kirchenwirt gepachtet als der Wirt gestorben und ein Nachfolger nicht in Sicht war "ein Dorf ohne Wirthaus war doch so gut wie tot". Daneben hilft er Frau Habersam, die seit einem Schlaganfall im Rollstuhl sitzt mit ihrem Kaufhaus und weiß so über ziemlich alles Bescheid. Kontakt zu seinen früheren Kollegen hat er nicht mehr, nur mit Norbert Sailer, Weinbauer aus Burgheim und Gendarm ist er befreundet. Als die Leiche eines Fremden in Sailers Weingarten gefunden wird und Sailer von Bezirksinspektor verdächtigt wird, beginnt Polt sich umzuhören. Angeblich will keiner den Toten gekannt haben, aber einige scheinen doch mehr zu wissen als sie zugeben. Denn auch im Wiesbachtal ist die Welt schon lange nicht mehr in Ordnung.
Komarek gelingt es mühelos an die bedächtige Stimmung und leise Psychologie der ersten Polt-Krimis anzuknüpfen. Man muss sie nicht gelesen haben, um diesen zu verstehen, aber es wäre entgangene Lesefreude.
GLK
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NIETSCHE ZITIERENDER MÖRDER


kloeppel-Der-Kapuzenmann Renate Klöppel:
Der Kapuzenmann
Ein Freiburg-Krimi
München: Piper Verlag 2009,
Kart., 272 Seiten, 26.50 €

Der Kaputzenmann ist Renate Klöppels dritter Krimi mit dem Gentechniker und Professor Alexander Kilian. (Der Mäusemörder 2001, Die Tote vom Turm 2002, Die Farbe des Totes ist schwarz 2005)
Kilian hat Probleme mit dem Älterwerden und mit seiner jungen Lebensgefährtin Ina. Ina wird von der Vergangenheit ihres verstorbenen kriminellen Vaters eingeholt und wegen eines Gemäldes erpresst. Richtig involviert wird Kilian als seine und Inas gemeinsame Tochter entführt wird. Die Polizei sucht einen Serien-Mörder, da bereits drei junge Mädchen entführt und getötet wurden. Und immer beschäftigte sich der Vater der getöteten Mädchen mit Gentechnik. Der Mörder hinterläßt bei seinen Opfern verschlüsselte Botschaften. Kilian wird aus seiner eigenen Welt gerissen und beteiligt sich an der fieberhaften Suche, wobei immer wieder ein geheimnisvoller Kapuzenmann auftaucht. Psychologisch geschickt sind die Aufzeichnungen des Nietsche zitierenden Mörders in das Geschehen eingestreut.
GLK
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Copyright: © Dr. Gisela Lehmer-Kerkloh & Jörg von Bilavsky, Dezember 2009/Januar 2010.

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