So ändern sich die Zeiten. Suhrkamp, jahrzehntelang Deutschlands wichtigste Verlagsadresse für geistes- wissenschaftliche Seminarlektüre, lanciert im Mai eine Krimireihe. Ob die Programmerweiterung der Liebe zum Genre oder dem Willen zum Geldverdienen zu verdanken ist, soll uns egal sein. Denn der vom Verlag vorab zur Verfügung gestellte Band mit Leseproben aus den ersten sechs Romanen ("Am Anfang war der Mord") lässt hoffen, dass uns feiner Lesestoff erwartet.
Was mit der Ächtung des Kriminalromans durchs Feuilleton angerichtet wurde, lässt sich am Schicksal einer vergessenen Autorin wie Emilie Heinrichs (1823 � 1901) ermessen. Ihr 1866 erstmals erschienener Roman "Leibrenten" (Edition Köln, Köln 2008, 409 Seiten, 13,90 Euro) eröffnet die von Dieter Paul Rudolph (www.alte-krimis.de) herausgegebene "Criminalbibliothek 1850 � 1933", die mit zehn Bänden verschollener deutscher Kriminalliteratur mögliche Traditionsbezüge aufzeigt. 
Im Vergleich zu Heinrichs� desillusionierter Weltsicht wirken "Die Foldex-Krimis" (Fischer Taschenbuch, Frankfurt 2008, 393 Seiten, 10 Euro) von Simon Schott geradezu altmodisch � wenn auch auf liebenswerte Art. Immerhin schuf der 1917 geborene Barpianist, der im Paris der 50er Jahre am Steinway von Harry�s New York Bar für Hemingway, Simenon, Sartre und Coco Chanel spielte, eine ganz eigene, mit Versatzstücken der eigenen Biografie angereicherte Variante des hartgesottenen Privatdetektivs. Dieser Nick Foldex ist einfach wunderbar, ein einsamer Wolf mit weichem Herzen und harter Faust, einer Schlägervisage und einer Schwäche für schöne Frauen, und stets für ein Gläschen Calvados zu haben. Eindeutig eine Figur jener Jahre, in denen man zum Telefonieren noch eine Zelle suchen musste, dafür aber auch überall rauchen durfte � selbst wenn Schott die drei in diesem Band zusammengefassten Romane ("Foldex und die Terroristen", "Foldex und der Mann von Salzburg", "Foldex und der tote Schulfreund") oberflächlich dem Handy- und Computerzeitalter angepasst hat. Humorvoll und charmant, ein Lektüretipp für Romantiker.

Dass insgeheim auch Charlie Resnick ein Romantiker ist, dafür gibt es Hinweise: Der Mann liebt Jazz, ist ein Katzennarr und kleidet sich nachlässig. Nach einem Intermezzo 1993 bei Goldmann dürfen wir nun erneut seine Bekanntschaft machen. Bei dtv ist nämlich "Verführung zum Tod" (München 2009, 393 Seiten, 8,95 Euro), der erste Band (Original: "Lonely Hearts", 1989) von John Harvey (Jahrgang 1938) in Großbritannien sehr erfolgreicher Resnick-Serie, gerade zum zweiten Mal auf Deutsch erschienen. Der Nottinghamer Detective Inspector ist ein erfahrener Polizist, der bei seinem literarischen Debüt mit einem Frauenmord konfrontiert wird. Der von der Toten zuvor abgewiesene Verlobte wird schnell als Hauptverdächtiger zur Fahndung ausgeschrieben. Vorschnell, wie sich bald herausstellt ...
Kein Krimi, aber genauso empfehlenswert wie Harveys Buch ist "Der Teufelskeiler" (Shayol, Berlin 2008, 141 Seiten, 12,90 Euro) des Thriller- und Horrorautors Joe R. Lansdale. Seine packende, auch als Jugendbuch geeignete Abenteuergeschichte (Original: "The Boar", 1998) hat der 1951 geborene Amerikaner in der Zeit der großen Depression und in der von Flüssen und Auwäldern geprägten Wildnis von Osttexas angesiedelt. Dort treibt ein riesiges Wildschwein namens "Old Satan" sein Unwesen, ein Ungeheuer wie aus einer bösen Fabelwelt entsprungen, dem die hilflosen Menschen dämonische Züge andichten. Das Untier zerstört Maisfelder, tötet Jagdhunde und wird selbst für die am Existenzminimum lebenden Menschen auf den einsam gelegenen Farmen zur Gefahr. Der 15-jährige Richard und sein gleichaltriger Freund machen sich auf, den "Teufelskeiler" zur Strecke zu bringen, und jedem ist klar, dass das nur eine Jagd auf Leben und Tod sein kann ...
Emilie Heinrichs:
Leibrenten.
Köln, Edition Köln, 2008,
409 Seiten, 13.90 Euro
Simon Schott:
Die Nick-Foldex-Krimis.
Frankfurt, Fischer Taschenbuchverlag, 2008
393 Seiten, 10.00 Euro
John Harvey:
Verführung zum Tod
München, dtv, 2009
393 Seiten, 8.95 Euro
Joe R. Lansdale:
Der Teufelskeiler.
Berlin, Shayol Verlag, 2008,
141 Seiten, 12.90 Euro