Serienmörderkrimis sind Geschmackssache. Der Rezensent mag sie eigentlich nicht, aber natürlich liegen genug davon auf dem Stapel noch zu lesender Bücher. Jonathon Kings "Das Messer im Sumpf" ist einer der neuesten, engagiert beworbenen von einer Mordserie handelnder Bücher.
Max Freeman war einmal Cop in Philadelphia, bis er bei einem Schusswechsel einen Jugendlichen erschießt, der an einem Überfall beteiligt war. Freeman gehört zu denen, die so etwas fertigmachen und er bricht alle Zelt hinter sich ab und verschwindet in die Everglades, um zu sich finden. Doch daraus wird nichts. Auf einer Kanutour durch die Sümpfe findet er die sorgfältig verschnürte Leiche eines Kindes und gerät in eine absonderliche, brutale und heimtückische Geschichte.
Es ist ein schlüssiger, sogar ambitionierter Thriller,der versucht einmal einen anderen Handlungsort ins Spiel zu bringen. Er führt aus der Großstadt heraus in die Everglades, eine abweisenden Wildnis, in der abweisende Einzelgänger leben, denen der Ansturm der Großstadt und deren Bewohner, die sich langsam in ihre Umwelt fressen, zuwider ist.
Natürlich müssen Serienmörder irgendwie durchgeknallt sein, hier werden Kinder entführt und umgebracht, doch diesmal ist es eine andere Variante als der übliche psychopathische Horror. Das ist schlüssig aufgedröselt, mit ein wenig zuviel Action und Heldenhaftigkeit des psychisch auch stark angeschlagenen Helden Freeman erzählt, ein Thriller, der auch aus dem Gegensatz Stadt/Wildnis seinen Reiz erhält. Dennoch bleiben die Personen wie so oft bei stark auf Spannung ausgerichteten Romanen ein wenig leblos, wohl auch der Grund, warum der Rezensent solche Bücher nicht so liebt. Für den Fan spannender Krimis jedoch ist Jonathon King ein Name, den er sich merken sollte und "Messer im Sumpf" (ausgezeichnet mit dem "Edgar" für das beste Debut) einer der besseren Romane dieser Art.
"Wolfman" wird der Täter genannt, den Rebus als sogenannter, aus Edinburgh abgerufener Experte mit den nicht gerade begeisterten Kollegen in London fassen soll. Sein erstes Opfer wurde in der Wolf Street im düsteren Londoner East End gefunden, und einen Gebissabdruck hat der Mörder auch hinterlassen. Dass Rebus es mit einem kaltblütigen Täter zu tun bekommt, darauf war vorbereitet, nicht aber auf die Feindseligkeit einiger Beamten von Scotland Yard, die ihm die Arbeit erschweren. Ein Schotte in London, das ist wohl so etwas wie eine Reise in die Exotik mit den für den "Fremden" oft unerklärlichen Verhaltensweisen der Eingeborenen. Er trifft seine von ihm getrennt lebende Familie, was ihn nicht unbedingt aufbaut und er hat eine schöne Affäre mit einer attraktiven Psychologin und alles ist eine interessante Mischung aus Tristesse und Leichtigkeit. Da paßt alles, hier greift Rankin beinahe zu Twainschem Witz, ohne seine ernsthaften, dichten Schilderungen zu vergessen. Erstaunlich ist jedoch, wie ausgenudelt Ian Rankin in "Wolfsmale", dem dritten Roman seiner Inspektor Rebus Romane, "seinen" Serienmörder ausstattet. Nun leben seine Krimis nicht nur vom Plot, sondern von der Atmosphäre und den viel sorgfältiger ausgestalteten Mitarbeitern des Kommissariats und den sozialen Handicaps des Inspector Rebus, was Rankin hier mit unverhohlener Lust darbietet. Das einzige, was wirklich stört, ist der eigentliche Kriminalfall um jenen "Wolfman", der sich zwar in einem Finale Furioso auflöst, aber einen derart müden, abgegriffenen und haarsträubenden Serienmörder präsentiert, das es schon zum Lachen ist - wenn es nur so gemeint wäre. Ein Rankin sozusagen, den nicht gelesen zu haben, kein Versäumnis ist. Da lohnt es sich eher, ein paar andere Rebus-Romane zweimal zu lesen ...
Lawrence Blocks Roman "Der Privatclub" strahlt auch eine eigenartige Atmosphäre aus. 30 erfolgreiche und angesehene Männer treffen sich einmal im Jahr in Manhattan. Sie haben sich zu einem exklusiven Club zusammengeschlossen und feiern sich selbst und das Leben schlechthin. Doch eines Tagen beginnen sie zu sterben - einer nach dem anderen, unter mysteriösen Umständen. Eine unterschwellig an Agatha Christie erinnernde Ausgangsituation, aus deren Stimmung das Buch sich nie lösen kann. Einer der Überlebenden engagiert den Privatdetektiv Matthew Scudder, der in eine für ihn völlig fremde Welt eintaucht. Und Scudder, der Privatdetektiv mit dem Alkoholproblem in einem doch eigentlich harten New York bekommt auch nicht so recht die Kurve zum richtigen Tough guy. Dennoch, Lawrence Block versucht schon, die Private Eye Schiene mit einem Schuß Golden Age zu vermischen, die abgehobene, der Wirklichkeit ziemlich entfremdete Welt des Geldadels und den Lebenskampf knapp über dem Asphalt gegeneinander zu stellen und präsentiert zudem einen Serienmörder, dem es weniger um Waten in Blut und Thrill, sondern um Rache aus, sagen wir einmal sozialen Gründen geht. Dennoch findet das alles nicht zu einer richtig gewürzten Geschichte zusammen. Wahrscheinlich nicht der beste Einstieg in die Scudder-Serie, deren Reiz wohl in den vielen Tonarten liegt, die Block zu spielen versteht. Der Privatclub allerdings strahlt doch etwas zu viel altertümlichen Charme für einen Roman aus dem Jahr 1994 aus ...
Jack Reacher ist tough, fast so tough wie sein Bruder, nein, tougher. Denn sein Bruder ist tot, weil er einen winzigen Fehler gemacht hat. Jack Reacher aber lebt und zwar nicht gerade bürgerlich: keine offizielle Adresse, kein Telefonanschluß, keine Scheckkarten. M.E. Froelich vom Secret Service spürt ihn dennoch auf. Sie hat ein Problem, und Jack Reacher, der geniale ehemalige Spitzenermittler der Militärpolizei, soll es für sie lösen: "ich will, dass Sie den Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten ermorden." Reacher soll durch einen fingierten Anschlag auf ihn die Schwachstellen im Sicherheitssystem aufdecken, aber die Sache entwickelt sich auf bedrohliche Weise in eine andere Richtung: eines Morgens liegt nämlich tatsächlich die Ankündigung eines Attentats auf dem Schreibtisch von M.E.s Vorgesetztem und im Laufe des Geschehens werden ein paar ziemlich garstige Typen vorgestellt, die es aus erstaunlich rustikalen Gründen auf den Vize abgesehen haben. Lee Child hat sich unbestritten unter die erste Garde der Thrillerautoren geschrieben. Spannender, eleganter und rasanter als in Tödliche Absicht geht es kaum noch. Kühl, raffiniert, ja fast schon makellos ist dieses Buch komponiert - die Dialoge filmreif, die Schnitte, Brüche, Übergänge und Rückblenden effektvoll und sicher gesetzt, alles genauestens kalkuliert, auf den Punkt geschrieben und zwar so sicher, daß es fröstelt und - ein wenig irritiert. Perfekt, ja fast schon klinisch ist diese Schreibe, beinahe so steril, daß man sich insgeheim ein wenig mehr Erde wünscht ...
Es ist eigentlich nicht gerecht, über Bücher zu sprechen, die einem nicht liegen. Die in ihrer Gattung perfekt funktionieren und Spannung und Thrill bis zur letzten Seite bieten. Wie Tess Gerritsen in ihrem Buch "Der Meister" oder Michael Connelly in "Das zweite Herz". Beide mit den inzwischen ja üblichen hochintelligenten und auf ausserordentliche Weise durchgeknallten Psychopathen besetzt, die alle ihre Taten auf möglichst ekelhafte Weise nur ausführen, um den ehemaligen Fbi-Agenten (Connelly) oder die aus einem schweren Trauma erwachende Polizistin (Gerritsen) in eine Falle zu locken, bzw. zu demonstrieren, daß sie die eigentlichen Jäger sind. In denen der Plot derart geschickt oder raffiniert konstruiert ist, das sich die Lösung erst auf den letzten Seiten herausschält. Spannend bis zum Schluß.
Eher sollte darüber zu sprechen sein, wieso das dem Rezensenten so wenig bedeutet. Ist diese Skepsis gegenüber diesen Thrillern so etwas wie die Haltung "Ich lese keine Krimis" bei Elke Heidenreich? Vielleicht. Weil nach der atemberaubenden Lektüre alles zu Ende ist. Konstruktion, Plot und Spannungsbogen können ja interessant sein, aber es sollte doch etwas mehr zurückbleiben, wenn das Buch zugeklappt ist.
Connellys "Das zweite Herz" und Gerritsens "Der Meister" und viele andere Thriller wirken, als wären sie vom Kino abgeschrieben oder fürs Kino geschrieben und lediglich für einen spannenden Zeitvertreib gebaut. Mit immer schrilleren Psychopathen oder überintelligenten Tätern besetzt, immer spektakulärer gebauten Handlungsgerüsten und immer mehr bedruckten Seiten. Und laufen damit Gefahr, in ihrem Subgenre ins Überkonstruierte, aber Blutleere zu laufen, so blutig die Geschichten auch sein mögen (wobei Connelly in seiner Bosch-Serie zeigt, daß er auch anders kann).
Aber vielleicht sind sie ja auch schon lange da, wo der Rezensent nicht hin will. Wozu auch, erfolgreich ist es, gelesen wird es ja, scheinbar mit großer Begeisterung.
Und der Rezensent wird wieder mal ein paar schmale alte Klassiker mit ein oder zwei Morden lesen ...
Plotpourri. Lichtblaus Notizen zu Krimis
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