„Unterm Birnbaum" noch so an Kriminalliteratur gegeben hat, und macht es im pdf-Format zugänglich. Soeben wurde mit der Veröffentlichung von Annie Hruschkas (1867 – 1929) "Schüsse in der Nacht" die 25. Autorin vorgestellt. Wir gratulieren.

Lansdale-wilder-winter.jpg Verdienstvoll ist auch die Aufmerksamkeit, die der kleine Berliner Shayol Verlag dem amerikanischen Kultautor Joe R. Lansdale widmet. Denn von dem mit Preisen überhäuften Werk des 55-jährigen Texaners, der immer wieder die Genres von Krimi, Horror und Western wechselt, liegen kaum deutsche Übersetzungen vor. Und wenn doch, dann oft gekürzt und nur antiquarisch. Zwei Bände hat Shayol nun vorgelegt, "Sturmwarnung" (166 Seiten, 9,90 Euro) und "Wilder Winter" (195 Seiten, 12,90 Euro). Eine gute Wahl, denn schon das schmale Büchlein "Sturmwarnung" ("Big Blow", 2000) belegt die Klasse von Lansdales Prosa. Seine Sprache ist direkt und prägnant, der Plot geradezu klassisch in seiner tragischen Monumentalität. Die Handlung spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf der kleinen Insel Galveston vor der Ostküste der USA. Das Zeitalter der Sklaverei liegt noch nicht lange zurück, und die manifeste Rassendiskriminierung zementiert das Elend der farbigen Bevölkerung. Da gewinnt ein schwarzer Boxer den Pokal des örtlichen Sportklubs, was für die weiße Oberschicht der Insel eine unglaubliche Provokation darstellt. Die gut betuchten Honoratioren heuern einen Schläger an, der "Li'l Arthur" seine Grenzen aufzeigen soll. Und ein Hurrikan gigantischen Ausmaßes kündigt sich an, der als "Sturm des Jahrhunderts" lansdale-sturmwarnung.jpg in die Geschichte eingehen wird ... Ganz anders, wenn auch mit derselben sprachlichen Kraft, kommt der erste Roman um Hap Collins und Leonard Pine daher. Ein ungleiches Ermittlerpaar, der eine weiß, hetero und Kriegsdienstverweigerer, der andere schwarz, schwul und Vietnamkriegsveteran. "Wilder Winter" ("Savage Season", 1990) erzählt von der nicht alltäglichen Freundschaft der beiden Amateurdetektive, von der Härte des texanischen Winters und vom prickelnden Abenteuer einer Schatzsuche. Es geht um die Millionenbeute eines schief gelaufenen Banküberfalls, bei deren Bergung die ortskundigen Freunde einer Gruppe von Altrevolutionären um Haps Exfrau Trudy helfen sollen. Doch wo Trudy ist, gibt’s Ärger, und das Ganze kulminiert in einer exzessiven Gewaltorgie, aus der die beiden Helden nur mit ganz viel Dusel einigermaßen heil herauskommen ... "Wilder Winter" verbindet ein illusionsloses Menschenbild mit hammerharter Action und bitterbösem Humor. Etwas, das es so nur bei Lansdale gibt.


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temple-Kalter-August.jpgeKlappentexte sollen verkaufen. Deshalb ist Vorsicht angebracht bei so genannten Blurbs, Anpreisungen eines Buches, für die sich oft Autorenkollegen hergeben. Auch auf dem Schutzumschlag von Peter Temples erstem in Deutschland veröffentlichten Roman "Kalter August" (C. Bertelsmann, München 2007, 443 Seiten, 19,95 Euro) steht so ein Werbespruch. "Das ist Spannung vom Feinsten!", schwärmt der britische Kriminalschriftsteller Mark Billingham. Und, hey, er hat Recht. Der 2005 unter dem Titel "The Broken Shore" in Melbourne erschienene Roman – es ist der achte des 1946 in Südafrika geborenen, heute in Australien lebenden Journalisten – stellt den psychisch traumatisierten Cop Joe Cashin vor, der nur noch seine Ruhe haben will. Deshalb verlässt er die Mordkommission in Melbourne und lässt sich in seinen Geburtsort versetzen, eine scheinbar idyllische Kleinstadt mit gerade mal vier Polizeibeamten. Doch Cashin hat einfach kein Glück: Ein weißer Unternehmer wird in seinem Wohnhaus erschlagen, und die örtliche Polizei hat schnell die vermeintlichen Täter ausgemacht: drei "Bimbos", wie jugendliche Aborigines hier genannt werden. Als die Gesuchten festgenommen werden sollen, richten Cashins Kollegen ein Blutbad an: Zwei Kids sterben im Kugelhagel, der dritte verschwindet aus dem Krankenhaus und wird wenige Tage später ebenfalls tot aufgefunden ... Temple hat nicht nur einen packenden Kriminalroman geschrieben, er stellt uns auch ein nicht nur der Jahreszeit wegen kaltes Australien vor, wie wir es bislang nicht kannten: brutal, korrupt und rassistisch. Ein Befund, der nüchtern diagnostiziert, aber brillant in Worte gefasst wird – mit tiefenscharf gezeichneten Charakteren, glaubhaften Milieuschilderungen und treffenden Dialogen – das ist welt- und gegenwartsbezogene Literatur, die etwas zu sagen hat. Wir zitieren noch mal Mark Billingham: "Peter Temple ist für mich die Entdeckung des Jahres."


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santis-Die-sechste-Laterne.jpgZum Schluss in gebotener Kürze noch ein besonderer Tipp für alle, die sich für architektonische Chiffren, geheimbündlerische Intrigen und die latente Phantastik lateinamerikanischer Literatur begeistern können. Lesen Sie Pablo de Santis’ Die sechste Laterne" (Unionsverlag, Zürich 2007, 247 Seiten, 19,90 Euro), eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter den Erbauern der New Yorker Hochhäuser angesiedelte Rätselgeschichte. Statt Mord und Totschlag erwartet Sie deliziöses Vergnügen voller Komik und Esprit. Wunderbar.


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lansdale-sturmwarnung.jpg Joe R. Lansdale:
Sturmwarnung

Berlin, Shayol Verlag 2005,
166 Seiten, 9.90 Euro

Lansdale-wilder-winter.jpg Joe R. Lansdale:
Wilder Winter

Berlin, Shayol Verlag 2006,
195 Seiten, 12.90 Euro

temple-Kalter-August.jpg Peter Temple:
Kalter August.


München, C. Bertelsmann 2007,
443 Seiten, 19.95 Euro

santis-Die-sechste-Laterne.jpgg Pablo de Santis:
Die sechste Laterne.


Zürich, Unionsverlag 2007.
247 Seiten, 19.90 Euro

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Ulrich Kroegers Krimitipp
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Ulrich Kroegers Krimitipps: Index
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Ulrich Kroegers erster Krimitipp erschien vor fünfeinhalb Jahren. Damals war in Bremerhaven Kriminalliteratur – zumindest in der Zeitung – kein Thema, und niemand dachte daran, eine auf Dauer angelegte Kolumne zu etablieren. Es kam zum Glück anders. Heute erscheint Ulrich Kroegers Krimitipp einmal im Monat im Sonntagsjournal der "Nordsee-Zeitung", dessen Redaktion wir für die Genehmigung zur Veröffentlichung und Archivierung bei den Alligatorpapieren danken. Zum Konzept der Kolumne gehört, dass auf Verrisse zugunsten von Leseempfehlungen verzichtet wird. Zudem beschränken sich die Besprechungen in der Regel auf Taschenbücher und Paperbacks, einer publizistischen Tradition des Kriminalromans folgend und eingedenk der begrenzten finanziellen Spielräume vieler Leser – nicht nur in einer von Arbeitslosigkeit gebeutelten Hafen- und Industriestadt.

Der Autor, Jahrgang 1956, Studium (Politologie, Sozialwissenschaften, Geschichte) in Braunschweig und Bremen, arbeitete als Produktionshelfer, Nachhilfelehrer, Sozialarbeiter und fristet seit zehn Jahren als freier Journalist und Redakteur sein Dasein. Er liebt die Küste, hört "WBGO Jazz88.3 FM," trinkt Scotch, spielt Mah Jongg und fiebert für Werder. Doch die meiste Freizeit verbringt er mit – na, Sie wissen schon!
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