åkan Nesser, Arne Dahl und Liza Marklund gehören zu den bekanntesten Namen. Und die zehnbändige, zwischen 1965 und 1975 von Maj Sjöwall und Per Wahlöö geschriebene Martin-Beck-Reihe verkauft sich immer noch ausgezeichnet. Aber bis jetzt gab es bis auf vereinzelte Artikel in Zeitungen und einem Webportal keinen Überblick über die skandinavische Krimiszene.
Mit dem von Jost Hindersmann herausgegebenen "Fjorde, Elche, Mörder - Der skandinavische Kriminalroman" ist diese Lücke mit einem sehr informativem Werk geschlossen.
In den ersten beiden Artikeln versuchen Tobias Gohlis und Alexandra Hagenguth den Erfolg skandinavischer Krimis in Deutschland zu erklären. Gohlis liefert gleichzeitig einen kurzen, gelungenen Überblick über die skandinavische Krimiszene und ihre in Deutschland bekanntesten Vertreter. Über Hagenguths Artikel reden wir später.
Im Anschluss gibt es kurze Porträts der dänischen (Benni Bodker), schwedischen (Johan Wopenka), finnisch-schwedischen (Johan Wopenka), norwegischen (Nils Nordberg), finnischen (Keijo Kettunen) und isländischen (Katrin Jakobsdóttir) Kriminalliteratur von ihren ersten Werken bis heute.
Einzelporträts von Dan Turèll (Nina von Zimmermann), Håkan Nesser (Eugen G. Brahms), Liza Marklund (Jost Hindersmann), Arne Dahl (Tobias Gohlis), Leena Lehtolainen (Gabriele Schrey-Vasara), Arnaldur Indriðason (Katrin Jakobsdóttir) und natürlich dem Begründer der neuen Welle skandinavischer Krimis, Henning Mankell (Klaus-Peter Walter) runden das Buch ab. Die dazugehörenden, gewohnt umfangreichen Bibliographien wurden von Thomas Przybilka erstellt.
Bei den sechs Überblicksartikeln über die Entwicklung der nationalen Krimikulturen fällt auf, dass es zwischen den skandinavischen Ländern kaum Unterschiede gibt. Mit wenigen Ausnahmen begann alles mit den Übersetzungen der Sherlock Holmes-Geschichten. Sie wurden eifrig gelesen und etliche Autoren schrieben entweder Sherlock Holmes-Abenteuer oder erfanden Sherlock Holmes-ähnliche Charaktere. Auch in den folgenden Jahren wurden internationale Trends, wie der hin zu farbigen Abenteuergeschichten und überdimensionalen Bösewichtern nachvollzogen. Die Zeit der Besatzung durch die Nationalsozialisten führte zu einem Aufschwung der einheimischen Produktion. Die Bücher der Kriegsgegner wurden nicht mehr übersetzt. Aber die Leser wollten sich weiterhin mit Krimis von der Wirklichkeit ablenken. Einheimische Autoren erfüllten diesen Wunsch. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden dann zunehmend Hardboiled-Autoren übersetzt. Das Publikum liebte die harten Krimis. Aber kaum ein skandinavischer Autor schrieb in diesem Stil. Stattdessen dominieren immer noch Rätselkrimis die skandinavische Produktion.
Zu den Whodunits kam durch den Erfolg der Romane von Maj Sjöwall und Per Wahlöö der von Ed McBain beeinflusste Polizeiroman. Aber im Gegensatz zum US-amerikanischen Vorbild benutzte das schreibende Ehepaar seine Romane für eine ätzende Kritik an der schwedischen Gesellschaft. Dieser immer noch überwältigende Einfluss zeigt sich an einem zwei Kennzeichen der skandinavischen Krimiproduktion: das Subgenre des Polizeiromans dominiert und die Geschichten sind gesellschaftskritisch.
In einem idealtypischen skandinavischen Krimi sucht ein meist gesundheitlich geschwächter, depressiver, älterer Kriminalbeamter in einem Mordfall mit politischen Dimensionen den Täter.
Oder mit den Worten von Tobias Gohlis: "Er ist weder frech noch verspielt wie der französische. Parodien, surreale Konstruktionen, vulkanische Anarchie und höhnisches Gelächter sind ihm unvertraute Äußerungsformen. Auch kennt er nicht die Neigung der russischen Kriminalliteratur zu märchenhaftem Erzählen, die Liebe zum Wunderbaren und erst recht nicht zum zaristischen Adel. Italienische Lebenslust (mit Ausnahme größerer Portionen Sex) sind ihm ebenso fremd wie literarischer Anspielungsreichtum (…). Humor, Esprit gar sind Mangelware."
Den guten Eindruck stört nur Alexandra Hagenguths Artikel "Der Mord, der aus der Kälte kommt: Was macht skandinavische Krimis so erfolgreich?". Denn fast keine ihrer Thesen taugt letztendlich als Erklärung. Sie unterscheidet nicht zwischen skandinavischen Krimis und den Krimis aus anderen Ländern, besonders natürlich aus den USA und England, sondern eher zwischen Krimis und der Hochliteratur in einer sehr spezifischen Prägung. In jedem Fall ist es nach der Lektüre des Artikels unmöglich zu sagen, was einen skandinavischen von einem amerikanischen (also Hardboiled) oder britischen (also Cozy) Roman unterscheidet. Fast alle ihre Thesen treffen, teilweise seit Jahrzehnten, auf amerikanische, britische und französische Kriminalromane zu. Einerseits weil die Globalisierung eine jede Industrienation betreffende Entwicklung ist, andererseits weil bestimmte literarische Mittel und Trends aus anderen Ländern importiert wurden.
So nennt sie in ihrer These "Schnelle Schnitte, flotte Sprache" die leicht verständliche Sprache als Kennzeichen skandinavischer Krimis. Sie seien leichter konsumierbar als die Werke von Thomas Mann, Franz Kafka und Günter Grass. Der Krimifan wundert sich über diesen Vergleich und fragt sich, in welcher Sprache die US-amerikanischen Pulp-Autoren geschrieben haben. Ebenso finden sich die von Hagenguth angesprochenen schnellen Szenenwechsel und schnellen Schnitte bereits seit Jahrzehnten in amerikanischen Krimis. Einerseits weil filmische Stilmittel in die Literatur importiert wurden, andererseits weil der Leser eine sich ohne langwierige Verzögerungen fortbewegende Handlung will.
Auch dass feministische Krimis aus Skandinavien Leserinnen anlocken ist so nicht haltbar. Denn vor den skandinavischen Heldinnen gab es bereits eine Welle kommerziell erfolgreicher feministischer Krimis. Seit 1986 gibt es die "Sisters in Crime". Der Argument Verlag publizierte in seiner 1988 gestarteten Ariadne-Krimi-Reihe jahrelang nur Krimis von Frauen für Frauen. Später versuchten andere Verlage mit, meist weniger explizit feministischen, Frauenkrimi-Reihen von diesem Erfolg zu profitieren. "Sisters of Crime"-Gründerin Sara Paretsky, Linda Barnes und Sue Grafton schreiben seit über zwanzig Jahren erfolgreich Serien mit Privatdetektivinnen. In der Kriminalliteratur ist inzwischen eine mitten im Leben stehende Protagonistin keine Seltenheit mehr.
Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen dem skandinavischen Gesellschaftsmodell und anderen Gesellschaften. In Skandinavien ist der Anblick einer berufstätigen Frau auch in höheren Positionen, teils mit Kindern, normaler als in anderen Ländern. Weil Geschichten immer auch in einer bestimmten Zeit und Gesellschaft spielen, müssen die Autoren diese beschreiben. So fällt bei US-amerikanischen Krimis immer wieder auf, wie viel Zeit den Fragen von Rasse und Geschlecht gewidmet wird. Nur sind dies außerliterarische Punkte, die einen Teil der landesspezifischen Realität abbilden.
Auch die von Hagenguth angeführte Psychologisierung des Krimis kann den Erfolg skandinavischer Krimis nicht erklären. Danach seien diese Romane in erster Linie psychologische Charakterstudien in denen ein Mord, falls überhaupt, erst am Ende geschieht und die Polizei höchstens eine Nebenrolle hat.
Nun, im angloamerikanischen Raum gibt es seit Jahrzehnten Psycho-Thriller und alle Werke von Patricia Highsmith sind selbstverständlich psychologische Charakterstudien. Oder fast jeder Noir-Roman, in dem sich ein Mann in die falsche Frau verliebt. Denken Sie nur an James M. Cain oder Jim Thompson. Auch Georges Simenon leistete in seinen Non-Maigret-Romanen hier beachtliches.
Ebenso ist das von Hagenguth angesprochene Verwischen von Genregrenzen und der Grenze zwischen U- und E-Literatur kein spezifisch skandinavisches und auch kein besonders neues Phänomen. Wie in fast allen ihren Thesen vergleicht sie hier wieder einmal skandinavische Kriminalromane mit belletristischen Werken von Günter Grass, Martin Walser und Florian Illies - und hat sich damit den falschen Gegner ausgesucht. Sinnvoller wäre auch hier eine Argumentation aus der Geschichte des Kriminalromans heraus. Und da sind die Genregrenzen seit langem unscharf geworden und die Grenzen zwischen U und E werden immer mehr überschritten.
Immerhin kommt sie hier zu dem Punkt, dass skandinavische Kriminalromane Themen der Zeit reflektierten, die richtigen Fragen stellten und Antworten gäben. Unter der Oberflächenstruktur eines Krimis werde, so sagt Hagenguth, etwas anderes transportiert. Auch das ist nicht gerade neu. Aber die Antwort der Skandinavier, meist ein linker Konservatismus, und der Erfolg beim Publikum sagen einiges über die Befindlichkeit der skandinavischen und deutschen Leser aus.
So sagt Hagenguth in ihrer siebten These treffend: Die skandinavischen Krimis "verleihen der (Globalisierungs-)Angst aber Ausdruck und formulieren die Kritik der ansonsten schweigenden Mehrheit. Und bei aller Kritik der Autoren an der Welt: Die Kritik selbst ist politisch korrekt. (…) Die politische und gesellschaftliche Kritik wie sie in den skandinavischen Krimis vorgetragen wird, bewegt sich innerhalb gesellschaftlich etablierter Konventionen."
Gleichzeitig, sagt sie, verliehen die skandinavischen Krimis einer zunehmenden geistigen Distanz zu den Vereinigten Staaten einen Ausdruck. "Damit bleiben die Skandinavier de facto die einzige Alternative für viele der heutigen 30- bis 50jährigen, sich ‚politisch korrekt' und ruhigen Gewissens kritischer Gegenwartsliteratur zuzuwenden und ihr - wenn auch nicht explizit gedacht oder ausgesprochen - eine Leitbildfunktion zuzusprechen."
Leider führt Hagenguth diesen Gedanken nicht fort. Denn wenn dies stimmt, dann stellt sich die Frage, welche Gesellschaft sie sich wünschen. Das Modell der skandinavischen Krimis kann kurz mit einem ‚Zurück in die Fünfziger' umschrieben werden. Damals war der Wohlfahrtsstaat in Deutschland und Skandinavien intakt. Scharfe Grenzkontrollen ließen eine steuernde innerstaatliche Politik zu. Erst unter Rot-Grün begann der radikale Umbau des Sozialstaates, den viele Betroffene für eine Demontage halten. Ebenso haben immer mehr Deutsche Angst vor einem gesellschaftlichen Abstieg. Die Fremdenfeindlichkeit nimmt zu. Die Globalisierung wird abgelehnt. Zur gleichen Zeit begann, forciert durch gute Werbekampagnen der Verlage, der überwältigende kommerzielle Erfolg der skandinavischen Krimis.
US-amerikanische Hardboiled-Krimis können aber diesem konservativen Bedürfnis nach Sicherheit in einem "Volksheim" nicht nachkommen. Amerikanische Autoren mögen ein finsteres Bild der Gesellschaft zeichnen, aber sie sehnen sich niemals nach dem sozialdemokratischen Modell eines "Volksheims". Insofern können deutsche Leser, wenn sie in der Literatur eine Entsprechung für ihr Unbehagen an der Gesellschaft, den gesellschaftlichen Veränderungen und ihren Ohnmachtsgefühlen finden wollen, nur zu skandinavischen Krimis greifen.
Diese kritische Einstellung zur Gesellschaft und dem Wunsch nach einem zurück in eine bessere Vergangenheit, der überragende Erfolg von Henning Mankell, die großzügige Förderung von Übersetzungen und das geschickte Marketing (beides wird von Hagenguth ignoriert) scheinen die wichtigsten Faktoren für den derzeitigen Erfolg skandinavischer Kriminalromane zu sein.

Ein zuverlässiger Überblick: Das große Filmlexikon

TV-Spielfim-Das-grosse-Filmlexikon.jpgDie schiere Zahl von über 6800 Spielfilmen auf 3840 Seiten im von TV Spielfilm herausgegebenen "Das große Filmlexikon" ist beeindruckend. Aber ein Blick auf das "Lexikon des internationalen Films" relativiert die Zahlen. Denn die neueste Ausgabe dieses Lexikons von 2002 bespricht auf 4400 engbedruckten Seiten 52000 Filme. Das Lexikon versammelt die seit 1947 in der Zeitschrift "film-dienst" erschienenen Zusammenfassungen aller in West- und Ost-Deutschland in Kinos, Fernsehen und auf Video/DVD aufgeführten Filme. Etliche Bewertungen der katholischen Filmkritik wurden für die Buchfassungen aktualisiert.
Allein schon ein Vergleich der Zahlen zeigt, dass die Macher des "Großen Filmlexikons" auswählen mussten. Bei vielen in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland aufgeführten Filmen ist ein gnädiges Verschweigen kein Verlust. Das gilt für zahlreiche B- und C-Filme, die früher im Bahnhofskino gezeigt wurden und heute direkt auf DVD veröffentlicht werden. Auch Filme und Serien, wie die Heimat- und Schlagerfilme der Fünfziger und Sechziger und die "Schulmädchen-Report"-Filme, die um 1970 in den deutschen Kinos ein Publikumsrenner waren, sind heute höchstens noch von historischem Interesse.
Doch auch wenn die vielen filmischen Gurken ignoriert werden, standen die Macher immer noch vor der schwierigen Aufgabe, eine irgendwie repräsentative Auswahl aus über einhundert Jahren Filmgeschichte zu treffen. Sie konnten höchstens einen von zehn Filmen besprechen. Aber welche? Bei einem Speziallexikon, wie dem "Western-Lexikon" von Joe Hembus, ist die Antwort offensichtlich. Weil die Macher ihre Auswahl nicht erklären, müssen wir das Lexikon mit seinen chabrol-A-double-tour-1959fundierten Besprechungen durchblättern. Das Werk von bekannten Regisseuren wie Woody Allen, Ingmar Bergmann, Claude Chabrol, den Coen-Brüdern, Francis Ford Coppola, Clint Eastwood, Rainer Werner Fassbinder (von ihm werden 25 Filme besprochen), Michael Mann, Jean-Pierre Melville, Martin Scorsese und Quentin Tarantino ist gut bis vollständig dokumentiert. Bei Quentin Tarantino ist das mit vier Spielfilmen kein Problem. Bei den anderen Regisseuren erklären sich etliche Lücken aus der heutigen Bekanntheit, Verfügbarkeit und Bedeutung für das Oeuvre des Machers. So fehlt bei den Coen-Brüdern das Debüt "Blood Simple - Eine mörderische Nacht" und "Ein (un)möglicher Härtefall". Bei Jean-Pierre Melville fast das komplette, nur Fans bekannte Frühwerk. Bei Martin Scorsese fehlen sein Debüt "Who's that knocking at my door" und die Dokumentarfilme.
Aber einige Lücken sind rätselhaft. Warum fehlen bei Clint Eastwood "Mitternacht im Garten von Gut und Böse" und "Ein wahres Verbrechen"? Warum fehlt bei David Cronenberg neben dem Frühwerk (das ist nachvollziehbar) auch "M. Butterfly" und "Spider"? Bei Walter Hill unter anderem die durchaus erwähnenswerten Filme "Wild Bill", "Geronimo" und "Die letzten Amerikaner"? Bei Michael Mann "Blutmond"/"Roter Drache"?
Bei etlichen Regisseuren wurde ein Hauptgewicht auf die Mainstream-Filme gelegt. So fehlen bei John Woo die seinen Ruf als Action-Regisseur begründenden Hongkong-Filme und, bei den neueren, "Windtalkers" und "Paycheck". Beide gehören nicht zu seinen Meisterwerken, aber das gilt auch meyer-die-satansweiber-von-tittfieldfür "Harte Ziele" und "M:I-2". Bei ausgewiesenen Genre-Regisseuren wie Wes Craven (die Scream-Filme werden erwähnt, aber "Nightmare on Elm Street" fehlt), Abel Ferrara (nur "Bad Lieutenant" und "Body Snatchers" werden erwähnt), José Giovanni (nur seine bekanntesten Filme sind drin), Tobe Hooper (nur "Blutgericht in Texas" und "Poltergeist"), Takeshi Kitano (nur "Hana-Bi", "Sonatine" und "Zatoichi - Der blinde Samurai"), Russ Meyer (nur "Blumen ohne Duft" und "Die Satansweiber von Tittfield", aber nicht "Supervixens") und George A. Romero (unter anderem fehlt "Crazies") fehlen oft Filme wichtige Filme.
Bei einigen Regisseuren wurde sich auf sein bekanntestes Werk beschränkt. So wird von Herbert Achternbusch nur "Das Gespenst" erwähnt. Der Film des besonders in den Siebzigern und Achtzigern sehr produktiven Künstlers wurde bekannt, nachdem der konservative Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU) sich in seinen religiösen Gefühlen beleidigt sah und zugesagte Fördergelder zurückzog. Bei Jan Schütte wird nur sein Debüt "Drachenfutter", bei Robert Schwentke nur sein Hollywood-Debüt "Flightplan - Ohne jede Spur", bei Peter Thorwarth nur Verfluchtes-Amsterdam"Bang Boom Bang - Ein todsicheres Ding" und bei Dick Maas nur "Verfluchtes Amsterdam" erwähnt.
Einige wichtige Regisseure, wie Dario Argento, Tsui Hark und Johnnie To fehlen vollständig.
Insgesamt wird immer wieder eine Tendenz zu neueren Mainstream-Filmen und allgemein anerkannten Regisseuren deutlich. Ältere Filme, wenn sie erwähnt werden, gehören entweder zu den anerkannten Filmklassikern oder laufen öfters im Fernsehen. Dazu gehören die "Sissi"-Filme, "Die Feuerzangenbowle" und "Das schwarze Schaf" (beide mit Heinz Rühmann). Reine Genrefilme oder kommerziell erfolgreiche Subgenres, wie die deutschen Heimat-, Schlager- und Aufklärungsfilme, der Italo-Western, die Bruce Lee-Kopien in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, Zombie-Filme (mit so unsterblichen Titeln wie "Ein Zombie hing am Glockenseil"), Söldner-Filme (nach dem Erfolg von "Die Wildgänse kommen" wurde wieder Krieg im Kino gespielt) und die zahlreichen B-Krimis, -Western, -Science-Fiction-Filme und -Horrorfilme werden kaum erwähnt. Und das ist oft auch kein großer Verlust.
Die knapp 7000 Filme werden jeweils in einer, seltener zwei, Druckspalten vorgestellt. Bei jedem Film werden Originaltitel, Regie, Drehbuch, Kamera, Musik, Produzent/Produktionsfirma, Länge (teils mit der Originallänge), Darsteller und Animation/Spezialeffekte erwähnt. Nicht erwähnt werden - im Gegensatz zum "Lexikon des internationalen Films" - Datum und Ort der deutschen Premiere oder besonders gute DVD-Veröffentlichungen.
In den knappen Besprechungen verraten die Autoren Birgit Althaus, Friedemann Bedürftig, Jens Friebe, Andreas Hutzler, Ute Jansen, Philip Nathusius, Julia Teichmann, Kerstin Thürnau und Uta Wilkens normalerweise nicht das Ende der Geschichte (auch wenn es bei vielen Dramen ziemlich vorhersehbar ist) und geben eine kritische Einschätzung des Films. Oft geben sie interessante Hintergrundinformationen über die Entstehung des Films und die Bedeutung des Films für die Filmgeschichte. Letzteres fehlt im bereits öfter erwähnten "Lexikon des Internationalen Films" fast vollkommen.
Deshalb ist "Das große Filmlexikon" trotz aller Kritik in den Details sein Geld wert. Es bietet einen guten Überblick über die Filmgeschichte und ist mit seinen aktuellen Bewertungen ein zuverlässiger Führer durch das TV-Programm und in der nächsten Videothek, wenn Sie nicht gerade die aktuellen Blockbuster ausleihen wollen.


Für Anfänger nicht hilfreich: Ron Kellermanns "Fiktionales Schreiben"

kellermann-FiktionalesSchreibenRon Kellermann war bei Wüste Film unter anderem an Fatih Akins grandiosem "Gegen die Wand" beteiligt. Inzwischen ist er freier Autor, Dramaturg und unterrichte an der Universität Mannheim. Er gab auch VHS-Kurse über das Schreiben von Geschichten. Aus diesen Kursen entwickelte sich sein der Struktur und dem Inhalt der Kurse folgendes Buch "Fiktionales Schreiben". In dem Kurs wird der Weg von der ersten Idee bis zu einem Exposé - einer kurzen Zusammenfassung der Geschichte - beschritten. Dabei wendet er sich in erster Linie an Menschen, die viele Filme gesehen und Bücher gelesen haben und jetzt denken: "Ich kann das auch."
Als erstes erklärt Kellermann in "Fiktionales Schreiben", analog zu den VHS-Kursen, die Grundlagen für eine Geschichte. Was Konflikte sind. Was Ideen sind und woher Autoren sie bekommen. Im zweiten Teil "Schreiben" stellt er die verschiedenen Formen des Freien Schreibens vor. In ihnen geht es darum, sich eine bestimmte Zeit des Tages freizuhalten und in ihr zu Schreiben. Bei diesen Übungen geht es darum, dass regelmäßig geschrieben wird. Autoren können so Ideen sammeln. Erst im dritten Teil "Dramaturgie" gibt Kellermann einen kurzen Überblick über die dramaturgischen Werkzeuge. Er nennt es eine mit Thema, Protagonisten und Struktur (dem Drei-Akt-Modell) gefüllte Werkzeugkiste, aus der sich Autoren bedienen. Im abschließenden, vierten Teil "Von der Idee zum Exposé" fasst er das vorherige zusammen und gibt Hinweise, wie ein Exposé geschrieben wird.
Das klingt gut.
Aber ein Kurs und ein Buch sind zwei vollkommen verschiedene Arten einen Stoff zu präsentieren. Denn so tragfähig diese Kurs-Struktur ist, so wenig hilfreich ist sie letztendlich für einen absoluten Neuling, der nur dieses Buch liest. Denn einerseits sagt Kellermann nichts falsches, aber er sagt viel richtiges so verkürzt und abstrakt, dass sehr leicht falsche Folgerungen gezogen werden können. Im Gegensatz zu einem Kurs kann der Lehrer hier nicht die Fehler seiner Schüler korrigieren und seine Schüler können nicht nachfragen, wenn sie etwas nicht verstehen.
Dies könnte - wie bei den Schreibratgebern von Lajos Egri, Lawrence Block und Larry Beinhart - vermieden werden, wenn die abstrakten Ausführungen mit aussagekräftigen Beispielen verdeutlicht würden. Aber davon gibt es zu wenige und sie werden dann nicht oder unzureichend erklärt. Denn was bringt eine Liste von als positiv, negativ oder ironisch qualifizierten Filmenden, wenn wir das Ende nicht kennen. Sogar einem ausgewiesen Filmfan dürfte es schwer fallen, sich sofort an das Ende von "Bullets over Broadway", "Der König der Fischer", "Rain Man", "Jenseits von Afrika" und "Schindlers Liste" zu erinnern. Und dann dürften er kaum erklären können, weshalb alle diese Filme ein positiv-ironisches Ende haben. Bei einem solchen Ende "bekommt der Protagonist, was er will, aber auf eine andere Art als erwartet. Oder er bekommt etwas, das er ursprünglich nicht wollte, das er aber braucht."
Wenn Ron Kellermann dann ein Beispiel erklärt, ist dies auch nicht immer hilfreich. So stellt er bei seiner ausführlichen Analyse von Fatih Akins "Gegen die Wand", im Gegensatz zur allgemeinen Wahrnahme, den Mann in den Mittelpunkt. Bei Ron Howards Thriller "Kopfgeld" (Ransom) schreibt Kellermann, die Struktur könne so wie er sie in einer Tabelle aufzeigt aussehen. Aber die Handlung sieht anders aus und wenn ein bestimmter Entführungsthriller als Beispiel genommen wird, sollte der Autor die Struktur dieses Filmes und nicht eines hypothetischen Films aufzeigen.
Ein weiterer Mangel der oft abstrakt-kryptischen Ausführungen, was bei einem Vorlesungsmanuskript normal ist, ist, dass wichtige Punkte letztendlich unklar bleiben oder zu falschen Schlüssen führen. So unterscheidet Kellermann zwischen dem Ziel und dem Bedürfnis eines Charakters. Ersteres ist der äußere, letzteres der innere Mangel. "Mit dem Erreichen eines Ziels will eine Figur immer ein bestimmtes Bedürfnis befriedigen. Die bloße Verwirklichung des Ziels würde sie nicht glücklich machen. Doch genau auf diesen Zustand des Glücks und des Friedens zielt ihr ganzes Streben ab. (...) Was sie brauchen, ist ihr Bedürfnis, was sie wollen, ist ihr Ziel. Ziele sind also immer nur Mittel zum Zweck." Soweit, so unklar. Auch das von Kellermann benutzte Beispiel eines Aufsteigers kann nicht für viel mehr Klarheit sorgen. Er konzentriert sich auf Geschichten, bei denen es einen Widerspruch zwischen Ziel und Bedürfnis gibt. Bei den meisten Geschichten dürfte dies allerdings nicht der Fall sein. Und die meisten Autoren sollten, bevor sie sich an komplizierte Geschichten wagen, zuerst mit den einfachen klarkommen. Denn der Unterschied zwischen Ziel und Bedürfnis ist wichtig für eine kraftvolle Geschichte. Mit Bedürfnissen, wie "Protagonist A will glücklich sein", kann keine Geschichte erzählt werden. Es ist zu allgemein. Aber mit "Protagonist A will eine Million auf dem Bankkonto haben" geben wir dem Charakter ein klares Ziel für die Geschichte (er will eine Million haben) und definieren den Charakter (er ist Materialist). Wir wissen also, was er unter glücklich versteht, was er erreichen will und was für ihn auf dem Spiel steht, wenn er dieses Ziel nicht erreicht.
Abgeschlossen wird "Fiktionales Schreiben" mit unkommentierten Literatur- und Linklisten und dem Exposé "Die Therapeutin" von Klaus-Peter Wolf. Es wurde 2004 als HR-Tatort "Janus" ausgestrahlt. Auch hier wären, wie so oft in Kellermanns Buch, einige erklärende Worte hilfreich gewesen. Welche Bücher sind besonders empfehlenswert? Was verbirgt sich hinter den Links?
Insgesamt enttäuscht Ron Kellermanns Buch "Fiktionales Schreiben". Anfängern wird es kaum helfen. Und Menschen, die schon einige Schreibratgeber studiert haben, werden dieses Buch nicht mehr benötigen.

Links & Bibliographie:

KK6-Cover Jost Hindersmann (Hrsg.):
Fjorde, Elche, Mörder
Der skandinavische Kriminalroman

KrimiKritik 6
NordPark Verlag, 2006
320 Seiten, 22.00 Euro


Weitere Informationen:
NordPark Verlag

Über skandinavische Krimis:
schwedenkrimi.de

TV-Spielfim-Das-grosse-Filmlexikon TV Spielfilm: Das große Filmlexikon
Area Verlag, Wien, 2006
3840 Seiten (6 Bände à 640 Seiten), 39.95 Euro


kellermann-FiktionalesSchreiben Ron Kellermann:
Fiktionales Schreiben

Emons Verlag, 2006
224 Seiten, 18.00 Euro


Spurensuche über Schreibratgeber:
Spurensuche N. 32

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Erstellt am 28.02.2007

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Axel Bussmer
Studium der Politologie, Philosophie und Soziologie in Konstanz, lebt derzeit in Berlin und arbeitet an verschiedenen Drehbuchprojekten (u. a. ein Gangsterthriller). Neben Noir-Krimis liebt er Jazz, über den er auch Artikel schreibt. Bei den Alligatorpapieren erscheinen regelmäßig seine TV-Krimi-Buch-Tipps.

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