‚Coop' Cooper, Lieutenant bei der Mordkommission von Santa Monica, bei einem Mord um Hilfe bitten würde. Er vermutet, dass einige Indizien bei seinem neuesten Mordfall auf die Jazzgeschichte verweisen. Nach einem Blick auf den Tatort bestätigt Evan Coops Verdacht: An Charlie ‚Bird' Parkers Todestag wird der enorm erfolgreich, aber musikalisch vollkommen uninteressante Smooth-Jazzer Ty Rodman nach einem Auftritt in seiner Garderobe ermordet. In seinem Discman läuft die Parker-Komposition "Now's the time" und auf den Spiegel wurde mit Blut "Bird lives!" geschrieben.
Coop schleppt Evan anschließend zum FBI. Denn in New York wurden bereits zwei Musiker mit ähnlichen Hinweisen auf die Jazz-Giganten Charles Mingus und Miles Davis ermordet. Auf Bitten der zuständigen Agenten hilft Evan mit seinem Jazzwissen der attraktiven FBI-Profilerin Andie Lawrence beim Erarbeiten eines Profils des Serienmörders.
Evan glaubt, damit seine Pflicht als Bürger getan zu haben und will sich auf die Aufnahme konzentrieren. Aber da verrät der die Ermittlungen leitende FBI-Agent Wendell Cook Evans Namen an die Öffentlichkeit und der Serienmörder setzt sich, wie vom FBI geplant, mit Evan Horne in Verbindung.
Mit dem gelungenenmoody-solohand Jazzkrimi "Bird lives!" setzt der 1941 geborene Schlagzeuger Bill Moody seine Evan Horne-Reihe fort. In "Solo Hand" begegneten wir Evan Horne zum ersten Mal. Damals arbeitete er als Journalist für Jazzzeitschriften. Denn nach einem schweren Autounfall konnte er seine rechte Hand nicht mehr richtig bewegen und musste seine Karriere als Jazzpianist aufgeben. Neben dem Training seiner verletzten Hand hat Evan genug Zeit einem Freund, dem King of Soul Lonnie Cole, zu helfen. Jemand erpresst Cole mit intimen Fotos.
moody-moulin-rougeIn "Moulin Rouge, Las Vegas" bittet der Universitätsprofessor Ace Buffington, - ein Jazzfan, der Evan in dem Spielerparadies ein Engagement in einer Shopping-Mall verschafft -, ihm bei einem Aufsatz zu helfen. Buffington will einen Artikel über das 1955 eröffnete Casino Moulin Rouge und den Tod des Tenorsaxophonisten Wardell Gray in der Nacht nach der Eröffnung des Casinos schreiben. Evan soll ihm beim Lösen des Mordfalls Wardell Gray helfen. Der Pianist beginnt zu ermitteln und stellt schnell fest, dass auch ein vierzig Jahre zurückliegender Mord keine Garantie für eine ruhige Ermittlung ist.
"Auf der Suche nach Chet Baker" spielt chronologisch nach "Bird lives!", wurde in Deutschland aber bereits früher veröffentlicht. Dieses Buch entfernt sich am weitesten von moody-aufdersuchenachchetbakerden gängigen Krimikonventionen. Nachdem Evan in "Bird lives!" eine Serienmörderin überführte, flüchtet er nach Europa. Er will Abstand von seiner Vergangenheit als Detektiv gewinnen und sich wieder vollständig auf seine Karriere als Musiker konzentrieren. Aber sein Ruf - immerhin löste er mehrere Verbrechen im Jazzmilieu - und sein Freund Ace Buffington machen ihm einen dicken Strich durch die Rechnung. Ace plant ein Buch über den im Mai 1988 in Amsterdam tödlich verunglückten, drogensüchtigen Trompeter Chet Baker. Evan lehnt ab. Aber nachdem Ace spurlos verschwindet und Drogengangster sich für Evan interessieren, beschließt er, Ace zu finden und den Tod von Chet Baker aufzuklären.
Während Bill Moody in den vorherigen Romanen die US-amerikanische Jazzmusikszene sezierte, beschäftigt er sich in "Auf der Suche nach Chet Baker" mit dem Leben US-amerikanischer Jazz-Musiker in Europa. Viele fanden in den vergangenen Jahrzehnten hier die Anerkennung und das finanzielle Auskommen, das sie auch in ihrer Heimat verdient hätten. Einige kehrten nach Jahren im europäischen Exil zurück, andere blieben hier.
Der gemeinsame Nenner und das besondere bei allen Evan Horne-Romanen ist, dass sie Jazzkrimis sind. Auch bei "Bird lives!" ist der Krimiplot ohne den Jazz und die zahlreichen Informationen über den Jazz ohne den Krimiplot nicht denkbar. Es ist Fusion im besten Sinn, bei der später die einzelnen Teile, falls überhaupt, nur mühsam wieder auseinanderdividiert werden können. Und wenn wir im Bild bleiben, sind andere Jazzkrimis schlechte Fusion, weil in ihnen der Jazz nur eine beliebig austauschbare Beigabe ist.
Dann entstehen ärgerliche, den gesamten Roman zerstörende Fehler, wie falsch geschriebene Musikernamen. Jüngstes Beispiel ist Wolfgang Schorlaus neuestes Buch "Das dunkle Schweigen". Aus Chick Corea wird Chick Korea und Oscar Peterson bekommt ein überflüssiges "t" verpasst.
Bill Moody erwähnt neben zahlreichen anderen Werken in einem lesenswerten Aufsatz über Jazz-Fiction einen Roman von Paul Pines, bei dem eine Schlagzeugerin bei Buddy Rich Schlagzeug spielen darf. Klingt gut, wenn Buddy Rich jemals neben sich einen zweiten Schlagzeuger geduldet hätte. Andere Autoren verweisen den Jazz auf eine mehr oder weniger The Gutter and the Gravewichtige Nebenrolle bei dem Kriminalfall: manchmal indem Musiker wichtige Rollen spielten (z. B. Ed McBains "The Gutter and the Grave"), oft indem der Held in ein für ihn fremdes Milieu eintaucht (z. B. Linda Barnes "Steel Guitar", Elmore Leonards "Be Cool"), manchmal indem die Musik einen Teil des Lokalkolorits bildet (was besonders auf während der vierziger und fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts spielende Krimis zutrifft), manchmal indem die Hauptpersonen Jazzfans sind und über ihre Lieblingsmusiker reden (beispielsweise in den beiden Büchern "Blues for Charles Darwin" und "The Man from Internal Affairs" des hentoff-Blues-for-Charles-Darwin.jpgrenommierten Jazzkritikers Nat Hentoff), und manchmal indem jazztypische Prinzipien auf das Erzählen der Geschichte angewandt wurden (wieder Nat Hentoff).
Bill Moody geht bei seinen Büchern einen anderen Weg. Er schreibt über den Jazz nicht aus der Außenperspektive. Bei ihm taucht kein Ermittler in ein für ihn fremdes Milieu ein, sondern der Detektiv ermittelt in einem ihm sehr vertrauten Milieu. Evan Horne ist, wie sein Erfinder Bill Moody, ein Insider. Für beide ist der Jazz Sauerstoff, ohne den sie nicht leben können. Entsprechend organisch entwickeln sich Evan Hornes Fälle aus seinem Leben und seinem Interesse an der Jazzgeschichte und dem Musikgeschäft.
In "Bird lives!" muss Evan Horne die Zeichen des Serienmörders enträtseln und wir erfahren so, ohne dass Bill Moody jemals belehrend würde, vieles über die Jazzgeschichte: über wichtige Musiker, Beziehungen der Musiker zueinander, deren Macken, wichtige Aufnahmen, und, weil Evan inzwischen wieder spielen kann, auch über die Faszination des gemeinsamen Spielens in Jazzclubs und bei Proben. Dabei ist der reine Krimiplot, wie immer bei Bill Moody, nicht wirklich überraschend. Er bewegt sich gelungen und durchaus realistisch in der Konvention des Polizei-jagt-verrückten-Serienmörder-Plots.
Aber die Improvisation über diesen Plot ist überzeugend. Und gerade Jazzfans lieben Musiker nicht, weil sie einen Standard spielen können, sondern weil sie ihre eigene Stimme haben und sie in ihren Improvisationen hörbar wird. Bill Moody hat eine eigene Stimme.

Links:


Homepage des Autors: http://www.billmoodyjazz.com/

Seite des Unionsverlages über Bill Moody:
http://www.unionsverlag.com/info/person.asp?pers_id=1312

Bibliografie:

moody-bird-lives.jpg Bill Moody: Bird Lives!
Übersetzt von Anke Caroline Burger
Unionsverlag, 2006
272 Seiten, 19.90 Euro




Die Evan Horne-Bücher:
Solo Hand, 1994 (Solo Hand)
Death of a Tenor Man, 1995 (Moulin Rouge, Las Vegas)
The Sound of the Trumpet, 1997
Bird Lives, 1999 (Bird lives!)
Looking for Chet Baker, 2002 (Auf der Suche nach Chet Baker)

Alle deutschen Ausgaben sind im Unionsverlag erschienen und wurden von Anke Caroline Burger übersetzt.

Lieferbare Kurzgeschichten:
Child's Play, in Robert J. Randisi (Herausgeber): Murder and all that Jazz, Signet Mystery, 2004
Camaro Blue, in Jervey Tervalon/Gary Phillips (Herausgeber): The Cocaine Chronicles, Akashic Books, 2005

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Erstellt am 18.03.2006




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Axel Bussmer
Axel Bussmer, Studium der Politologie, Philosophie und Soziologie in Konstanz, lebt derzeit in Berlin und arbeitet an verschiedenen Drehbuchprojekten (u. a. ein Gangsterthriller). Neben Noir-Krimis liebt er Jazz, über den er auch Artikel schreibt. Bei den Alligatorpapieren erscheinen regelmäßig seine TV-Krimi-Buch-Tipps.

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