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Marek Krajewski

»Tod in Breslau«
vorgestellt von Stefan Lichtblau

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Marek Krajewski
geboren 1966, ist Altphilologe und Dozent an der Universität Wroclaw. Krajewski gilt in Polen als Begründer eines neuen Genres - des Stadtkrimis. So erregte sein Debütroman "Tod in Breslau" bei seinem Erscheinen höchstes Aufsehen und avancierte innerhalb kurzer Zeit zum Bestseller. Mit Kriminalrat Mock hat der Autor eine Ermittlerfigur geschaffen, der er weitere Romane widmen will.



Marek Krajewski: Tod in BreslauBreslau, im Mai des Jahres 1933. Ein grauenhafter Mord ruft Kriminalinspektor Mock auf den Plan: Im Salonwagen des Zuges Berlin-Breslau wird die 17-jährige Baronin Marietta von der Malten zusammen mit ihrer Gouverante tot aufgefunden. Die Umstände sind mysteriös - auf der Stofftapete des Abteils ist mit Blut eine verschlüsselte Botschaft geschrieben, auf dem Boden kriechen Skorpione umher. Kann es sein, dass die Frauen einem Ritualmord zum Opfer fielen?

Marek Krajewski, Altphilologe und Dozent an der Universität Warschau, gilt seit dem Buch "Tod in Breslau" als Begründer eines neuen Genres in Polen - des Stadtkrimis. Doch tatsächlich handelt es sich in diesem Fall um einen historischen Stadtkrimi oder, wenn man etwas überspitzt formulieren will, um einen historischen Räuberpistolen-Stadtkrimi. Zeit und Personal wären an sich Thema genug für spannende Verwicklungen - das Breslau um 1933/34, die Nazis beginnen den gesamten Polizeiapparat mit ihren Gefolgsleuten zu besetzen, SS und Gestapo benutzen die Behörden, um Juden, Adel, Freimaurer und politische Gegner zu beseitigen.

Krajewski schildert auch detail- und kenntnisreich die politischen Intrigen, die Zementierung neuer Machtverhältnisse und das wollüstige Treiben in den Bordellen und Salons, den Flitter der dekadenten Gesellschaft mit ihren Gespielinnen und Gespielen. Der Breslaukenner entdeckt die Gebäude und Strassenzüge einer untergegangenen Zeit, doch der Leser droht angesichts der aberwitzigen Konstruktionen Krajewskis allmählich die Übersicht und den Verstand zu verlieren. Der Autor tut des Guten zuviel und überfrachtet die Geschichte mit immer neuen Wendungen und Zufällen, schicksalhaften Begegnungen und unglaublichen und unglaubwürdigen Zusammenhängen - ein Possenspiel der Phantasie, das keine Grenzen kennt und der Geschichte die Luft zum Atmen nimmt.

Die turbulenten Ermittlungen des Kriminalrats Mock und seines Spezialagenten Herbert Anwaldt mit Verfolgungsjagden, Folterungen, Mord und Totschlag gipfeln schließlich in der Feststellung, daß der brutale Mord an der jungen Baronin von der Malten sich als Blutrache für einen makabren Mord im Jahre 1204 herausstellt. Und das ist noch nicht der Höhepunkt in Krajewskis Fabelbaukasten, die Karrierewege des Kriminalrats und seines gepeinigten Assistenten bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Ostens stellen die Phantasie eines Edgar Wallace noch in den Schatten und weichen dem anfangs plausibel dargestellten politischen Ränkespiel aus, um in einer Fabelwelt zu münden.

Vielleicht darf man sich dem Buch nicht so genrestreng nähern, sondern es lesen wie einen phantastischen, dunklen Gegenentwurf zu Geschichtenerzählern wie Karl May oder Edgar Wallace: eine böse Parabel aus einer finsteren Zeit - alle Helden beschädigt, die Sitten verrottet und eine haltlose Welt, die mit Flitter, Tand und Glockenspiel in ihre große Katastrophe, den Völkermord und Zweiten Weltkrieg schliddert.

Letztendlich jedoch enttäuscht das Buch die Erwartungen. Von einem hochspannenden Blick auf Vergangenheit und Gegenwart polnisch-deutscher Beziehungen war die Rede und daß es mitten in polnisch-deutsche Empfindlichkeiten träfe. Diesem Konflikt ist der Autor letztlich ausgewichen und das ist bedauerlich: denn Krajewski malte bis zur Hälfte des Buches eine glaubhafte Welt und hätte auf wesentlich höherem Niveau scheitern können - und dürfen...

Marek Krajewski:
Tod in Breslau
München:btb/Goldmann 2002.
Taschenbuch 72831
317 Seiten 9,00��
ISBN 3-442-72831-2

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